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Alpha-Spiele 4: Die Zivilisation bin ich….

19/05/2010

Classic Review: Civilization 4 (PC/MAC)


Würde man mich fragen, welche Spiele-Reihe zu den wichtigsten in der Geschichte der Unterhaltungssoftware gehört, würde ich ohne zu zögern auf Sid Meier`s Civilization-Serie  verweisen. Seit dem ersten Teil gehören diese rundenbasierten Strategiespiele zu den einflussreichsten und unterhaltsamsten Games, die sich unter der Flut  digitaler Freizeitprodukte finden lassen. Die vielen Stunden, die ich in den Aufbau und die Expansion meiner Imperien in vier bisher erschienenen Teilen investiert habe, lassen sich kaum bemessen. Der Suchtfaktor steht außer Frage, die Programme sind nahezu perfekt ausbalanciert, langzeitig motivierend und immer wieder spielenswert. Die gesamte Reihe kann sich durchaus als der Kern von Meier’s Lebenswerk beschreiben. Dieses Spiel ist groß, sehr groß und ich werde kaum alle Aspekte in diesem Artikel aufgreifen können. Da aber im Herbst diesen Jahre der 5. Teil erscheinen soll, möchte ich hier den grandiosen Vorgänger samt der dazugehörenden Erweiterungen dennoch in die Retrospektive nehmen. Dieser wurde vor fünf Jahren von Sid Meier’s eigenem Label Firaxis zunächst für PC, etwas später für MAC veröffentlicht. Meine persönlichen Eindrücke zu diesem Spiel sollen vor allem darlegen, warum es eine drogenhaftige Abhängigkeit auslösen kann – und warum, wie so oft, etwas so gutes doch viele, viele Verbesserungswünsche an eine Fortsetzung offen lässt.

Der inhaltliche Kontext und das grundsätzliche Spielprinzip

Civilization 4  ist ein sehr offenes Strategiespiel, in dem jede Partie eine ganz eigene Geschichte zu erzählen vermag – von einer „Story“ im konventionellen Sinne kann man daher nur schlecht sprechen. Es gibt zwar viele offizielle wie inoffizielle Kampagnen/Szenarien (dazu weiter unten mehr), das Hauptspiel besteht aber aus der freien Entwicklung der eigenen Zivilisation. Das ist eine monumentale wie äußerst spannende Aufgabe. Von den zarten Anfängen erster Kultur am Ende der Steinzeit bis zur futuristischen Supermacht samt Weltraumexploration, führt man sein erwähltes Volk durch ca. 4000 Jahres selbst geschriebener Menschheitsgeschichte. Dabei  muss man wirtschaftlich, diplomatisch, militärisch und kulturell klug agieren, um erfolgreich zu herrschen. Zum Sieg führen letztlich entweder militärische, kulturelle und/oder technologische Dominanz. Allein hier reizt CIV4 leidenschaftliche Strategiespieler zu immer neuen Partien, um die verschiedenen Siegeswege auszuprobieren.

Zu Beginn entscheidet man sich für eine von entweder 18 (im Basisspiel) oder bis zu  35 Zivilisationen (mit allen Expansion-Packs). Jedem der unterschiedlichen Völker stehen meist zwei historische Führungspersonen vor, für die man sich entscheiden kann, z.B. Stalin und Katharina die Große für Russland, Bismarck und Friedrich der Große für Deutschland etc. Jede Zivilisation sowie jede/r Herrscher/in variiert bezüglich der verfügbaren Start-Technologien sowie des spielerischen Schwerpunkts; Japan ist z.B. eine aggressivere, eher militärisch versierte Zivilisation als China, welches mehr auf Wachstum und Kultur setzt. Diese Effekte machen sich vor allem zu Spielbeginn bemerkbar. Individuelle Schwerpunkte lassen sich aber später durch gezielte Forschung setzen. Darüber hinaus verfügt jedes Volk über ein oder mehrere spezifische Einheitentypen. Es ist unheimlich spannend, die Feinheiten zwischen den unterschiedlichen Kulturen im Spiel zu beobachten und aus einer immer etwas anderen Perspektive die Herausforderungen anzugehen.

Doch wie sieht das eigentliche Spiel denn nun aus? In Civilization 4 betrachtet der Spieler einer allwissenden Götterfigur gleich das wuselige Treiben auf den Erdball. Die Form der Kontinente wird dabei vor jeder Partie neu per Zufallsgenerator berechnet. Allerdings lassen sich verschiedene Parameter vor Spielbeginn modifizieren, um das Ergebnis in die gewünschte Richtung hin zu beeinflussen: etwa das grundsätzliche Klima, Höhe des Meeresspiegels, Kartentyp usw. Im Grunde spielt man also nie wirklich zwei mal ein und das selbe Spiel. Die Maps sind quadratisch geordnet und über diese Felder zieht man seine Einheiten – je nach Typ können sie mehr oder weniger Felder pro Runde zurücklegen.  Die Umgebung besteht aus Wiesen, Weiden, Wäldern, Dschungeln, Wüsten, Eisregionen, Gebirgen , Seen und Ozeanen. Wilde Tiere und Barbarenstämme streifen umher. Alle ist hübsch animiert und bunt gestaltet, die Spielumwelt sowie die Figuren wirken sehr lebendig und nie langweilig. Grafisch ist CIV4  heute kein besonderer Meilenstein mehr, gibt insgesamt aber eine überzeugende optische Performance ab.

Die Einheiten lassen sich in drei grobe Klassen ordnen: Siedler, Arbeiter und Kampftruppen. Mit der Siedlereinheit lassen sich Städte gründen – das Fundament einer jeden Zivilisation. Hier lassen sich wiederum neue Siedler sowie Truppen rekrutieren. Darüber hinaus produzieren die festen Siedlungen Arbeitskraft, Geld, Wissen und Kultur –  die Effektivität all dieser Faktoren lässt sich durch verschiedene Gebäude verbessern. So erhöht eine Bibliothek etwa den Wissensausstoß einer Stadt, während ein Theater den kulturellen Einfluss katalysiert. Ein Netz aus Städten konstituiert den Einflussbereich einer Zivilisation, d.h. sie bilden das Reichsgebiet. Je nach dem wo die Städte gegründet worden, profitieren sie von umliegenden Boni in Form unterschiedlichster Rohstoffe. Diese reichen von Nahrung (z.B. Reis, Weizen, Vieh, Fisch),  über Erze (etwa Kupfer und Metall, aber auch Gold und Silber), Luxusgüter (u.a. Färbemittel, Elfenbein, Seide), bis hin zu Treibstoffen (Erdöl). Später lässt sich sogar Uran fördern, was sich in interkontinentalen Atomraketen verarbeiten lässt. Ein kluge Wahl eines Stadtstandortes ist also entscheidend – für ihre strategische Bedeutung und deren Wachstum. Soll eine Hauptstadt zu Millionenmetropole anwachsen, sollte sie nicht in mitten einer Eiswüste gebaut werden. Arbeitern kommt  hier eine wichtige Rolle zu Teil: Sie bearbeiten das umliegende Land einer Stadt und bauen Straßennetze (auf denen sich Einheiten schneller bewegen), Farmen, Ställe, Minen etc. etc. Sie formen das Territorium und machen die Rohstoffausbeutung überhaupt erst möglich. So wird aus der Wildnis ganz schnell ein produktiver Staat, in dem sich neben den größeren Städten unzählige kleinere Siedlungen, Dörfer usw. entwickeln. Um Erschaffenes zu schützen und Neues zu erobern, bedarf es militärischer Schlagkraft in Form von Truppen. Anfangs besteht die Armee vornehmlich aus keulenschwingenden Rowdys, später können kombinierte Land-See-Luft Hightech-Streitmächte ins Feld geführt werden.

Neue Truppentypen, Gebäude, Herrschaftsformen, Technologien usw. werden durch Forschung gewonnen – einem zentralen Aspekt der CIV-Reihe. Man kann dabei aus einem weiten Spektrum aus Forschungsprojekten selbst entschieden, in welche Richtung sich die eigene Zivilisation entwickeln soll. Zuerst das Rad oder doch lieber Viehzucht? Kommunismus oder Monarchie? Schießpulver oder Moderne Bildung? Ständig wird man mit solchen essentiellen Entscheidungen konfrontiert, die den Spielverlauf wesentlich beeinflussen. Die Wahl einer Technologie bestimmt welche weiteren Projekte im Anschluss zur Verfügung stehen; konzentriert man sich z.B. nur auf militärische Forschungsprojekte, leiden unter Umständen die Kultur, die Wirtschaft und Innenpolitik.

Bezüglich der Innenpolitik erlaubt CIV4 vielfältige Auswahlmöglichkeiten – vom antiken Despotismus bis zur Demokratischen Repräsentation ist alles möglich. Weitere Einstellungen sind bezüglich des Wirtschaftssystems (etwa Merkantilismus, Staatsregulation etc.) oder der Religion möglich. Apropos Religion – alle bekannten Weltreligionen tauchen im Laufe der Zeit in der CIV4 Welt auf und können durchaus großen Einfluss auf das Staatstreiben haben. So sind Euch Nationen mit gleichem Glauben grundsätzlich etwas näher als solche, die es nicht sind. Jede Religion kann darüber hinaus zur Staatsreligion erhoben werden.

Während einer Partie muss man sich aber nicht nur mit zahllosen innenpolitischen Problemen auseinandersetzen – schon sehr früh nehmen vor allem die diplomatischen Beziehungen zu den Nachbarn einen wichtigen Platz im Spielgeschehen ein. Mit diesen können Handelsbeziehungen aufgenommen,Technologien ausgetauscht, Bündnisse oder gar Allianzen geschlossen oder, auf der anderen Seite, einfach Kriege geführt werden. Ist man im Besitz der Warlords-Erweiterung, lassen sich unterlegene Zivilisationen sogar zu Vasallenstaaten machen. Diese Teilen all ihr Wissen und stehen im Kriegsfall treu zur Seite. Die Führungspersönlichkeiten achten penibel darauf wie mit ihnen umgegangen wird – so achten sie geschenke oder verurteilen die Unterstützung einer ihrer Gegner. Jedoch führt die historisch leichtfertige Verwendung von Staatsmännern(und -frauen) wie Gandhi, Stalin usw. zu kuriosen Situatioen, etwa wenn ersterer Kriege anzettelt.

Das riesige Spiel motiviert aufgrund seiner hervorragenden Balance und der vielfältigen Möglichkeiten über einen langen Zeitraum – seit 5 Jahren lasse ich mich immer wieder mal auf eine exzessive Partie ein, ohne es zu bereuen. Zeit muss man aber schon mitbringen, CIV4 spielt man nicht nur mal so zwischendurch. Die Civilization-Reihe  lebt auch von einer sehr aktiven Fangemeinde (z.B. Civfanatics), die sehr gerne Mods und Spezifikationen produziert. So findet man zahlosen User-Content auf verschiedenen ioffiziellen Homepages zum Spiel. Daneben gibt es auch Maps, Szenarien und Kampagnen. Viele sehr empfehlenswerte Szenarien und Mods befinden sich im Anhang der beiden Expansions-Packs und bieten nochmals Spielmaterial für Monate.

Was jedoch nervt…

…sind vor allem unlogische Kämpfe. Es kann schon mal vorkommen das ein technologisch überlegener Einheiten-Typ einer primitiveren Version unterliegt; so habe ich mal mit ansehen müssen wie einer meiner teuren Panzer von Kavalleristen zerstört wurde. So was ist schlicht unrealistisch und macht Kriege unter Umständen zu einem frustrierenden Gezerre. Jeder Feldzug will daher lange und gründlich geplant sein. Etwas Abwechslung könnten die militärischen Zusammenstöße auch bieten – richtige Taktikschlachten entwickeln sich nicht wirklich, es entscheidet meist die Masse. Ansonsten fällt es mir schwer, echte Kritikpunkte auszumachen. Es  gibt allerdings eine lange Liste mit Wünschen an einen Nachfolger und ich hoffe das Teil 5 einige davon erfüllen wird. An dieser Stell möchte ich voran stellen, dass die folgende Wünsche völlig subjektiv sind und technologische wie finanzielle Einschränkungen völlig ignorieren:

1. Logischere Kämpfe mit mehr taktischer Tiefe – vor allem die technologischen Unterschiede sollten noch deutlicher hervorgehoben werden.

2. Bessere Koordination mit Verbündeten, vor allem bei militärischen Kampagnen.

3. Verbesserte, realistischere Diplomatie-Optionen, vor allem hinsichtlich kulturellen Austauschs und Handels.

4. Mit obigen Punkt eng verwoben: Lasst uns Staatengemeinschaften ähnlich der UN, NATO, EU, ASEAN etc. gründen!

5. Lasst mehr Spieler auf größeren Karten zu!

4. Rückkehr der Ressort-Berater aus CIV2 und 3.

5. Mehr Raum für Individualisierungen! Lasst uns eigene Zivilisationen kreieren!

6. 35 Zivilisationen sind schon viel – trotzdem können es ruhig noch einige mehr sein -lasst uns Nepal zu Weltherrschaft führen!

8. Größere Maps mit noch etwas mehr Vielfalt! Lasst uns echte Kolonial-Reiche gründen!

7. Etwas mehr Futurismus! Lasst uns den Meeresgrund, den Orbit und den Mond besiedeln!

8. Größere optische unterschiede zwischen den verschiedenen Kulturen!

9. Stärkere Auswirkungen des erwählten politischen Systems!

10. Bringt den Privat-Palast wieder rein (CIV2 & 3)!

11. Mehr Truppentypen! Mehr Spezialeinheiten!

12. Ein noch detaillierteres Spionagesystem! Lasst uns einen eigenen MI5, KGB, oder CIA haben!

13. Subversive Kriegsführung -lasst uns Rebellionen und Guerillas finanzieren!

14. Mehr Ereignisse und Events (wie z.B. in Hearts of Iron) – konfrontiert uns mit echten innenpolitischen Krisen, Rebellionen, Bürgerkriegen, internationalen Zwischenfällen etc. etc.

Dies sind nur einige von vielen, vielen Punkten die mit einfallen würden. Allerdings bin ich mir auch sehr wohl bewusst darüber, dass natürlich nicht alle realisiert werden können. Die beiden Expansioen Warlords und Beyond the Sword bringen schon viel zusätzliche Abwechslung und Tiefe in das ohnehin gelungene Spielprinzip. Wer die ultimative CIV-Erfahrung sucht, sollte also auch gleich beide Erweiterungen installieren.

Fazit

Civilization 4, das ist im Grunde ein Muss für Strategiespieler. Besonders für Leute die gerne mal ihre politischen Allmachtsfantasien ausleben möchten, bietet CIV4 die fast perfekte Simulation. Zumindest hier steht man für eine Weile auf einer Stufe mit den Größen der Geschichte und kann ‚Emporkömmlinge‘ wie Bonaparte, Dschinghis Khan oder George Washington auf ihre Plätze verweisen. Es macht einfach unglaublich viel Spass, den Kaiser, König oder Präsidenten zu mimen. Es bleibt für mich eines der wichtigsten Spiele der letzten Jahre, da es mir immer wieder langanhaltende Freude bereitet und im Grunde nie langweilig wird. Die historischen Unstimmigkeiten darf man dabei allerdings nicht zu ernst nehmen, sondern eher als zusätzlichen Unterhaltungsfaktor betrachten. Wenn sich Abraham Lincoln und Julius Caesar mit Shaka Zulu und Zar Peter dem Großen streiten, kommen einem unweigerlich Parallelen zu Bill&Ted’s Verrückte Reise durch die Zeit in den Sinn. Ein großartiges Programm, geeignet für Beginner wie Experten, die eine langzeitig motivierende Herausforderung suchen.

Civilization4 erschien im November 2005 für PC, im Juni 2006 für MAC. Es ist als Ultimate Edition (inkl. aller Erweiterungen) für ca. 20 EUR erhältlich, die MAC-Version ist -wie immer – deutlich teuerer. Hie gibt es eine Gold-Version (nur mit Warlords) für 50 EUR, die zweite Expansion Beyond the Sword kostet 30 EUR. Einfach dreist.

3 Kommentare leave one →
  1. 25/05/2010 12:10

    Neben dem Basisspiel samt Erweiterungen habe ich auch eine Zeit lang den Mod „Fall from Heaven 2“ gespielt, der in einer Fantasy-Welt à la Tolkien spielt. War auch sehr genial, Multiplayer-Partien mit Freunden, ganz andere Technologien, sogar Zauber, das ließ sich auch alles in das Spiel integrieren ;-). Ich fands hervorragend :D.

  2. Dennis permalink
    26/05/2010 19:24

    Ja, den Mod kenne ich auch – hat sehr viel Spaß gemacht, war fast wie ein ganz anderes Spiel. Das ist ja auch einer der wesentlichen Vorzüge von CIV4; dank einer vitalen wie produktiven Fangemeinde findet sich da draußen im WWW eine Vielzahl von user-produced-content in Form von Mods, Maps, Scenarien usw. Das Grundspiel lädt gerade dazu ein für weitere, eigene spannende Projekte genutzt zu werden. Mir gefielen auch die zahlreichen futuristischen Scenarien, oder jene die die Spieldauer bis in eine fiktive Zukunft hinein verlängerten.

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